Die dunkle Epoche hat nun auch Zyranus erreicht.
Vor den verschneiten Toren der Stadt der Magie hat sich eine Zeltstadt aufgetan. Schwarze Planen säumen das Grasland und gleichen auf diese Weise einer finsteren Variante des gezackten Drachengebirges. Finster sind auch die Soldaten, die zwischen den Zelten umher marschieren und sich mit Kriegsgerät oder in Zyranus verpönter Magie für eine Schlacht rüsten. Dunkelelfen, vereinzelte orkische Sklaventreiber, goblinische Mechaniker und nicht zuletzt einige Hundert Soldaten des Königreichs Grandessa haben es gewagt, eine Stadt zu belagern, die aufgrund ihres Ausmaßes an magischem Repertoire für unangreifbar gehalten wird. Es grenzt an blanken Wahnsinn, dieses Wagnis überhaupt eingegangen zu sein, aber schon immer wohnte dem Harax wohl eine Spur Wahn in all seinem dämonischen Chaos inne. Denn kein anderer als der Dämon Asmodeus ist Heerführer dieser dunklen Armee.
In Gestalt eines hageren und bleichen, dadurch aber nicht gebrechlichen Menschen mit tiefblauem Haarkamm und gleichfarbigem Kinnbärtchen stolziert er wie der König Celcias selbst durch seine Truppen. Er schart Ritualmagier um sich, als wolle er sich zusätzlich darauf vorbereiten, den Harax selbst noch zu dieser Belagerung einzuladen. Und manch ein Soldat behauptet gar, er habe Chancen, Zyranus zu stürzen. Offenbar hegt der Dämon in seinem menschlichen Wirt einen persönlichen Groll gegen alle Magier und hat es darauf abgesehen, ihre prunkvolle Heimat in Schutt und Asche zu legen. Dass dies bisher nicht belungen ist, gleicht keinem Wunder.
Zyranus nimmt nicht einmal groß Notiz von der Belagerung selbst. Die Stadtbewohner verlassen sich auf ihre magische Verteidigung in Form einer scheinbar unüberwindlichen Mauer, magischen Schutzgeschossen und nicht zuletzt den Vorkehrungen, die ein Eindringen von Nichtzyranern ohne Begleiterung und Kenntnis des geheimen Zugangscodes schon an den Toren abschmettert. Dort türmen sich auch bereits die Leichen einiger Unglücklicher, die Asmodeus ohne Reue oder Rücksicht blindlings in ihren Untergang geschickt hat. Nun scheint der Heerführer aber langsam einzusehen, dass ihm die Einheiten ausgehen und er bis auf ein paar Brandflecken in der Stadtmauer noch nichts erreicht hat.
Vielleicht zieht er sich deshalb seit jüngster Zeit immer wieder im einzigen Rundzelt des Armeelagers zurück und lässt Magier mit schwarzer Natur zu sich rufen. An den Gerüchten, er wolle den Harax selbst in die Belagerung einbeziehen, scheint doch etwas dran zu sein. Seltsam, dass Zyranus selbst nicht reagiert. Entweder hält man sich dort für mächtig genug, es sogar mit dem Dämonenreich aufzunehmen oder die Magier sind noch selbstverliebter und arroganter als so manch nichtmagischer Celcianer sie in einem vorurteilsbehafteten Bild sehen mag.
Nachtrag durch aktuelle Ereignisse:
Es ist geschehen! Irgendwann musste es ja dazu kommen. Für alle anderen Celcianer wäre es absehbar gewesen. Für Zyranus ist es nun unvorstellbare Wirklichkeit geworden. Es ist eben nicht immer klug, die Welt um sich herum auszusperren, indem man eine Mauer um die eigene Stadt baut und sich dahinter in Ignoranz verbirgt. Diese Mauer jedoch ist nun noch alles, was die Zyraner vor Asmodeus und seiner Armee beschützt. Der haraxische Heerführer hat es nun gewagt, die Stadt anzugreifen. Explosionen ertönten und Rauch steigt von gleich mehreren Stellen der Stadtmauer auf.
Asmodeus hat angegriffen. Noch vertrauen die Zyraner darauf, hinter ihrer magischen Schutzbarriere sicher zu sein. Dennoch geht ein Unbehagen durch den gesamten Ort. Einige, vor allem jüngere Bewohner, agieren bisweilen panisch und wollen sich in Sicherheit bringen. Doch die Abgesandten lassen auf Entscheid des Hohen Rates zu Zyranus niemanden mehr aus oder in die Stadt hinein, solange der “infantile Abschaum aus dem Harax seine fünf Minuten hat”, wie man den Großen Avatar selbst hat sagen hören.
Ob und wie lange Zyranus den Angriffen standhalten kann, ist ungewiss. Von anderer Seite scheint keine Hilfe in Sicht. Warum auch? Die Magier Celcias haben sich immer aus den Belangen anderer herausgehalten. Politik und Weltgeschehen war ihnen gleichgültig, wenn es nicht innerhalb ihrer Stadt Wichtigkeit besaß. Nun scheint dem Rest Celcias die magische Stadt Zyranus ebenfalls nicht wichtig genug zu sein, das eigene Leben zu riskieren.